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FFF Europe Treffen in Straßburg

In der Woche vor unserem großen Event fanden wir plötzlich eine Nachricht von einem Schweizer Fridays For Future Aktivisten in unserem Posteingang: Am 12. und 13.03. findet im Europäischen Parlament in Straßburg ein Treffen von Fridays For Future Europe statt. Pro Land sind 3 FFF-Vertretende eingeladen und auch Vilnius sollte doch bitte teilnehmen. Aha. Straßburg. 1800km weit weg. Nächste Woche. 3 Leute. 2 Tage vor unserer Demonstration. No-flying-rule. Litauen vertreten. Pressekonferenz. Mit Politikern sprechen. Internes FFF-Treffen. Anmeldung bis heute Abend. Hilfe!!! Wollen und können wir das schaffen? Ja, wir schaffen das!

 

In Windeseile entschieden wir, wer Fridays For Future Vilnius in Straßburg vertreten sollte: Oskaras, Viktorija und Monika. Wenig später war klar, dass wir die Reise gemeinsam mit den Vertretenden von Fridays For Future Latvia antreten würden. Und auch war uns bald bewusst, dass wir ein Transportproblem hatten: Auf Grund der No-flying-rule und unserer eigenen Prinzipien durften und wollten wir nicht ins Flugzeug steigen, aber mit dem Zug/Bus dauerte die Fahrt so lange, dass wir für unsere eigene Demo am Freitag nicht zurück wären. Aufgeben und in Vilnius bleiben? Nein, wir finden eine Lösung: Die Letten mieten einfach einen Van!

Tja, leichter gesagt als getan. Jorg, einer der Hauptorganisatoren von FFF Latvia ist ein belgischer Erasmusstudent (also die gleiche Story wie in Vilnius ;-)) und spricht kein Lettisch. Seine Auto-Suche war erfolglos. Entweder die Autos durften nur in Lettland gefahren werden, oder man brauchte mehr als 5 Jahre Fahrerfahrung, oder man musste mit Kreditkarte bezahlen, oder oder oder… Aufgeben und in Vilnius bleiben? Nein, wir finden eine Lösung: Oskaras und Monika suchen ein Auto in Vilnius!

 

Und tatsächlich, nach unzähligen Homepages, Emails und Telefonaten hatten wir einen Van gefunden! Jetzt brauchten wir nur noch genügend FahrerInnen. Und auch das war leichter gesagt als getan. Wir handelten die Fahrerfahrung auf 2 Jahre runter, und trotzdem fanden wir mit Mühe und Not nur 3 Fahrerinnen. Eine allerdings blieb in Straßburg, und daher waren wir für die gesamte Rückfahrt nur zwei Fahrerinnen. Bis, aus uns absolut intransparenten Gründen, die zweite Fahrerin am Morgen des Abreisetages verkündete, dass sie nicht mit uns nach Straßburg fahren würde. Wie bitte?? Keine Begründung, keine Entschuldigung, keine Unterstützung, kein Verantwortungsbewusstsein! Sie blockierte alle Kontakte auf Facebook und hob am Telefon nicht mehr ab. Na toll, jetzt war ich für die Rückfahrt also allein. Ich flog aus allen Wolken, war mit den Nerven absolut am Ende. Ich kümmerte mich um unsere Demonstration am 15.März, koordinierte unser Team in Vilnius, fand Unterkünfte in Dresden für 8 Reisende am Weg nach Straßburg, organisierte einen Van, nahm an den das FFF Europa-Treffen vorbereitenden Besprechungen via Zoom teil, informierte Oskaras und Viktorija über das in der WhatsApp-Gruppe Diskutierte, fand Unterkünfte für die Letten für die erste Nacht in Vilnius, war hauptverantwortliche Fahrerin, schlief schon seit Tagen kaum mehr, munterte die litauisch-lettische Gruppe kontinuierlich auf und hielt uns davon ab, aufzugeben, und jetzt sollte ich auch noch ganz allein 1800km Auto fahren an den beiden Tagen vor unserer eigenen Demo und dann zurück in Vilnius putzmunter Interviews geben und meine Rede halten? In dem Moment stellte sogar ich mir zum ersten Mal ernsthaft die Frage: Aufgeben und in Vilnius bleiben? Aber nein, wir finden eine Lösung: Wir fragen externe Leute, ob sie gratis mit uns mitfahren und dafür auch mal den Van lenken wollen!

 

Auf die Schnelle fanden wir niemanden. Die Situation wirkte fast aussichtslos. Und trotzdem entschieden Oskaras, Viktorija und ich, den Van zu mieten. Egal, was passiert, wir haben das Auto. Wenn die Letten jetzt alle abspringen, dann fahren wir drei eben irgendwo hin. Viktorija hatte sich extra eine Woche Urlaub genommen. Und wir hatten stundenlang geplant und organisiert. Wir wollten nach Straßburg. Gott sei Dank siegten am Ende unsere Willenskraft und unser Optimismus. Viktorija verkündete in letzter Sekunde, dass sie doch einen Führerschein habe und Auto fahren könne, auch wenn nur sehr ungern. Daraufhin konnten wir mit letzten Kräften die Letten zum Mitkommen bewegen. Nach einer kurzen Nacht brachen wir am Sonntagmorgen in Vilnius auf – auf nach Straßburg, auf ins Europäische Parlament, auf zum ersten internationalen Treffen von Fridays For Future Europe. 

 

Das Treffen von FFF Europe in Straßburg war äußerst wertvoll für die internationale Bewegung und ein voller Erfolg. Den ganzen Dienstag widmeten wir unserem internen FFF Treffen, vernetzten uns, tauschten Best-Practice-Beispiele aus, entschieden interne Kommunikationsstrategien, diskutierten über die Forderungen und die Zukunftsstrategie der Bewegung und setzten unser erstes offizielles, internationales Dokument, die Straßburg-Deklaration, auf. Am späten Nachmittag waren wir in die Sitzungen von drei Fraktionen eingeladen: The Greens/EFA, GUE/NGL (European United Left/ Nordic Green Left) und S&D (Socialists and Democrats). Diese Sitzungen ermöglichten einen Austausch und wir alle konnten uns gegenseitig Fragen stellen. An uns gerichtete Fragen waren zum Beispiel: „Wie fühlt ihr junge Leute euch, fühlt ihr euch genug unterstützt und wahrgenommen?“, „Wie kann die Denkweise der Bevölkerung in Bezug aufs Fliegen verändert werden?“, „Welche Strategien habt ihr, um kontinuierlich weiterzumachen und nicht aufzugeben?“, „Wie können Institutionen, wie können wir euch unterstützen?“ Wir alle hatten Kopfhörer auf und unsere Diskussion wurde in viele Sprachen simultan übersetzt. Allein das war ja schon ein Erlebnis. Dann aber auch noch die Hand zu heben, in die Warteschlange aufgenommen zu werden, und eine Wortmeldung zu geben ein überwältigendes Gefühl. Nachdem ich die Flugzeug-Frage beantwortet hatte (Best Practice Beispiel sein; Alternativen aufzeigen; mich haben schon so viele Leute angesprochen, warum ich denn nicht mit dem Flugzeug nach Litauen gekommen bin; auf Grund der no-flying-rule ist niemand von uns hier nach Straßburg geflogen; gegen Infrastrukturerweiterung einstehen;…) pochte mein Herz ziemlich stark und der auf meine Antwort folgende Applaus half mir, mal tief durchzuatmen. Unsere, teils sehr kritischen, Fragen an die Abgeordneten wurden nicht immer zu unserer Zufriedenheit beantwortet. Wir merkten, dass die Abgeordneten großes diplomatisches Geschick hatten, unsere Fragen nur anzuschneiden und als Einstieg für ihre Monologe zu verwenden. Naja, zum Nachdenken haben wir sie jedenfalls gebracht. Und unsere Meinungen, Einstellungen und Forderungen wurden gehört.

 

 

Auf den sehr produktiven und für uns wichtigen Dienstag folgte ein aufregender Mittwoch. Frühmorgens begaben wir uns auf die Zuschauertribüne im Plenum und erlebten eine auf eine spezielle Umwelt-Abstimmung vorbereitende „Debatte“ mit. Die Anführungszeichen setze ich, weil die Sitzung meiner Meinung nach keine Debatte war. Die einstündige Sitzung gab gerade mal Raum für je ein Statement des Rates der EU und der EU-Kommission. Danach durfte eine Person von jeder Fraktion eine kurze Rede halten. Und dann war’s auch schon vorbei. Von den potentiellen 751 Abgeordneten waren keine 50 anwesend, und diese durften auch keine Fragen stellen, sondern nur zuhören. „That’s usual business in the European Parliament!“, wurde uns erklärt. Die niedrige Beteiligung lag also nicht am Umwelt-Thema, sondern das ist meistens so. Naja, zufrieden waren wir deswegen aber trotzdem nicht. Wir waren unzufrieden mit den wenigen Abgeordneten, die das Thema wichtig genug fanden, um der Sitzung beizuwohnen, und wir waren vor allem unzufrieden mit dem Gesagten. Sehr schöne Worte fanden die Repräsentierenden des Rates und der Kommission, wie wichtig unsere Umwelt denn sei, aber authentisch wirkten sie nicht. Von der Zuschauertribüne aus taten wir am Ende der Sitzung unsere Unzufriedenheit kund: Wir standen alle auf, hielten uns an den Händen und schrien dreimal aus voller Kehle „What do we want? Climate Justice! When do we want it? Now!“ Daraufhin war mit der Security nicht mehr zu spaßen, sie murmelten uns entgegen, wie respektlos wir uns verhalten hätten und begleiteten uns aus dem Saal. Die Frage ist hier allerdings, wer sich wirklich respektlos verhält. Die, die von der Zuschauertribüne ihre Forderungen rufen, oder die, die die Forderungen hören und die Lösungen nicht umsetzen. Zu guter Letzt folgte noch eine öffentliche Pressekonferenz und Interviewsession. 5 FFF-AktivistInnen gaben von uns gemeinschaftlich verfasste Statements, und 5 andere FFF-AktivistInnen standen für eine Frage- und Antwort-Runde bereit. Danach war es Zeit zum Aufbruch! Eine lange Fahrt stand vor uns, und bald unsere erste Demonstration in Vilnius: Kartu už klimatą – Together for the climate!

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