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Ganz weit weg, doch voll dabei!

Im Zeitalter des Immer-Überall-Erreichbar-Seins ist so manches möglich. Klar, das wissen wir alle, aber mir wurde es im Dezember letzten Jahres mal wieder so richtig bewusst. Denn ich war ganz weit weg, doch voll dabei.

 

Schon seit vielen Monaten arbeiteten einige Freunde und Kollegen beim WWF mit vollem Einsatz zum Thema Gewässerschutz. Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie (danke, deutsche Sprache!) könnte beim bald bevorstehenden „Fitness Check“ nämlich aufgeweicht und die europäischen Gewässer somit weniger geschützt werden. Um dies zu verhindern, haben sich viele Organisationen und Vereine in ganz Europa zusammengeschlossen, die Bevölkerung über die Risiken aufgeklärt und Kampagnen durchgeführt. Eine dieser Kampagnen war eine große Online-Petition, und da kam ich dann plötzlich ins Spiel.

 

Um vor Weihnachten nochmal so richtig durchzustarten und viele Unterschriften zu bekommen, organisierten Magdalena, eine gute Freundin vom Action Leader Training, und ein paar andere Leute von Generation Earth einen kleinen Unterschriften-Sammel-Wettbewerb. Gewinnen würden zwei Teams – jenes mit den meisten gesammelten Unterschriften, und jenes mit der kreativsten Sammelmethode. Bald hatte Magdalena auch mich überzeugt, und sodann nahm ich per Skype an der in Wien stattfindenden Vorbesprechung teil. Ein Team war schnell gebildet und augenblicklich eine Sammelstrategie ausgearbeitet. Obwohl, das Wort Strategie war in unserem Fall vielleicht etwas zu hoch gegriffen.

 

Johannes, Felix und ich kannten uns alle nicht. Und nun war ich so weit weg. Doch das störte uns wenig. Wir entschieden, nicht die kreativste Sammelmethode, sondern die meisten Unterschriften anzustreben, da wir in zwei verschiedenen Ländern und drei verschiedenen Städten leben und kaum eine gemeinsame Aktion auf die Beine stellen konnten. Also wollten wir individuell sammeln, uns aber gegenseitig unterstützen, auf dem Laufenden halten und vor allem immer wieder motivieren. Und so setzten wir uns das Ziel, bis Weihnachten 300 Unterschriften gesammelt zu haben. Meint, durchschnittlich 100 pro Person. Die Zahl klang in unseren Ohren optimistisch, aber nicht unmöglich.

 

Für mich war bald klar, dass ich meine 100 Unterschriften übers Internet bekommen musste, denn ich befand mich mitten in der Prüfungszeit, hatte keine Unikurse mehr und verbrachte lernbedingt viele, viele Stunden vor dem Laptop. Die ersten Unterschriften waren dann schnell und unkompliziert gesammelt. Eine kleine Nachricht an den, ein Video mit Aufruf zur Unterschrift an die. Doch die Familie, der engste Freundeskreis, die nahe Umwelt-Bubble waren bald ausgeschöpft. Jetzt hieß es, kreativer zu werden. Ich wandte mich an meine zahlreichen Gruppen und Vereine und bat sie um Unterstützung. Aber unpersönliche Nachrichten in großen Gruppen halfen wenig. So machte ich mich daran, Freunde und Bekannte persönlich anzuschreiben. Dies erforderte natürlich viel Aufwand und Durchhaltevermögen, zahlte sich aber aus.

 

Ich fühlte mich bald wie eine Marketing-Spezialistin, die ihr Produkt, in diesem Fall eine Botschaft und eine Bitte, maßgeschneidert aufs Gegenüber anpasste. Zuerst überlegte ich mir nämlich, welche Verbindung die angesprochene Person zum Thema Wasser hat, warum der Gewässerschutz für genau diese Person wichtig sein könnte. Dann klärte ich – je nach vermutetem Interesse – kurz oder ausführlich über die Inhalte der Petition auf und welche positive Wirkung die Unterschrift haben könnte. Zu guter Letzt bekamen meine Nachrichten noch einen persönlichen und etwas philosophischen Touch, weil ich allen den schönen Spruch von den vielen kleinen Menschen, die an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun und somit die Welt verändern können, mit auf den Weg gab.

 

Manche Leute waren von meiner Nachricht dermaßen inspiriert („Endlich tut mal wer was!“), dass die beschlossen, auch selbst Unterschriften zu sammeln. Und so setzten sie die Botschaft des schönen Spruches in die Tat um. Hier erzählte mir jemand von 5 gesammelten Unterschriften, da von 2, dort von 10. Johannes, Felix und ich verfolgten regelmäßig die Klicks auf unseren eigens erstellten bit-Link und freuten uns über die täglich wachsende Zahl an Klicks. Besonders freute uns auch, dass wir so international aufgestellt waren. Nach drei Wochen harter Arbeit, unzähligen Nachrichten, Leserbriefen, angesprochenen Personen und so manchem Laptop-Boykott gelangten wir dann an unser Ziel: die 300 Unterschriften waren gesammelt, und zwar aus über 20 Ländern. Puh, da fiel uns ein Stein vom Herzen. Nicht, weil wir eine bestimmte Zahl an Unterschriften abzuliefern hatten, doch weil wir uns über drei Wochen hinweg so sehr mit dem Thema beschäftigt und uns selbst angespornt hatten, das selbstgesteckte Ziel zu erreichen.

 

Bei der Generation Earth Weihnachtsfeier repräsentierte ich mein Team, das ich bis dahin immer noch nicht live kennengelernt hatte, und durfte unseren Preis für die meisten gesammelten Unterschriften entgegennehmen: drei Rosen von Jericho. Bevor ich auf die imaginäre Bühne gerufen wurde und den anderen Generation Earth Mitgliedern unsere Geschichte erzählte, grübelte ich, was ich denn jetzt sagen sollte. Wir hatten ja keine kreative Aktion veranstaltet, hatten nichts Lustiges, Lautes oder Liebes organisiert. Also erzählte ich Auszüge davon, was ich während des letzten Monats gelernt hatte. Wie wir drei ein tolles, uns gegenseitig permanent zur Seite stehendes Team geworden waren, ohne uns überhaupt wirklich zu kennen. Wie ich die Nachrichten zunehmend methodischer aufgebaut und Brücken zwischen den Angesprochenen und dem Thema geschlagen hatte. Welch positiven Rückmeldungen wir von vielen Seiten bekommen haben. Wie motiviert manche Leute das Anliegen weiter verbreitet haben. Und wie bereichernd es für mich war, mich trotz der großen Distanz mittendrin in der Generation Earth Familie zu fühlen – eben ganz weit weg, doch voll dabei!